Nachholbedarf an sozialen Kontakten

  29.01.2022    TSV Schmiden Handball Jugend Männer Frauen
Die Seuche und kein Ende: Seit fast zwei Jahren diktiert die Coronapandemie die Spielregeln im Sport, und die Vereine müssen sich mit nie gekannten Problemen auseinandersetzen. In den Handballabteilungen der Fellbacher Klubs sind die finanziellen Einbußen ein Thema.

Gespannt blickt Wolfgang Bürkle auf diesen Sommer. Speziell vom 15. bis zum 24.Juli hofft er auf gutes Wetter, aber noch viel wichtiger: auf eine corona-freie Woche. Dann soll endlich das 51. Ortsturnier stattfinden, und der Handball-Abteilungsleiter des TSV Schmiden freut sich schon auf die traditionsreiche Veranstaltung, die nicht nur Sportbegeisterte zusammenbringt, sondern auch die Abteilungskasse aufbessert. In den vergangenen beiden Jahren fiel das Turnier aufgrund der Coronapandemie aus. „Das ist unsere Haupteinnahmequelle, da mussten wir zuletzt große finanzielle Abstriche machen“, sagt Wolfgang Bürkle, 65, der im Sommer voraussichtlich nur noch als Helfer dabei sein wird. Sein Amt als Abteilungsleiter möchte er bei der nächsten Mitgliederversammlung, dann nach genau zehn Jahren als Vordenker, an Sven Zeidler und Markus Engelhart übergeben.

Für Maximilian Keller, 15, kam in dieser außergewöhnlichen Zeit eine neue Aufgabe dazu. Der Sohn des Abteilungsleiters Christoph Keller filmt in der Oeffinger Sporthalle die Spiele und stellt sie im Internet zur Verfügung. Damit erreicht die Verbandsliga-Mannschaft des TV Oeffingen um den Trainer Benjamin Brack auch während der Coronapandemie oftmals um die 200 Zuschauer außerhalb der Halle. Christoph Keller, 41, kann aber auch frohen Mutes berichten, dass sich die Mitgliederzahl in der Abteilung trotz zahlreicher Hindernisse zuletzt nicht verändert hat. Besonders gefreut hat ihn der Zusammenhalt in der „Oeffinger Handballfamilie“, wie er die Abteilung bezeichnet. „Es haben sich alle irgendwie eingebracht, und auch unsere Sponsoren sind uns erhalten geblieben, obwohl wir ja lange Zeit ohne Spielbetrieb auskommen mussten“, sagt Christoph Keller, der den Handballern des TV Oeffingen seit 2008 vorsteht.

Er hat sportliche Höhen und Tiefen miterlebt, aber die vergangenen zwei Jahre waren auch für ihn in besonderer Weise herausfordernd. „Und ich bin mir nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung ist, jetzt weiterzuspielen. Jeder kommt doch mit einem komischen Gefühl in die Halle“, sagt er, fügt aber hinzu: „Viele sind doch auch froh, dass sie im Sport so ein bisschen Normalität zurückbekommen können.“

Noch mehr dieser Normalität wünscht sich auch Dieter Pfeil zurück. Der Abteilungsleiter des SV Fellbach denkt dabei im Besonderen an die Kinder und Jugendlichen: „Das sind die Hauptverlierer in dieser Zeit. Ihnen fehlt der Wettkampf, sie brauchen doch nicht nur den Sport, sondern auch die sozialen Kontakte. “Obwohl die Sportvereine oftmals stark betroffen waren von den Verordnungen und Verboten, sieht Dieter Pfeil, 62, kurz vor dem „äußerst unschönen Zwei-Jahr-Jubiläum“ der Coronapandemie auch einige richtige Entscheidungen der politisch Verantwortlichen. Seit Mitte März 2020 dreht sich fast alles nur noch um diese unsichtbaren Gegner, die mit gelungenen Abwehraktionen oder erfolgreichen Angriffsspielzügen nicht zu bezwingen sind.

Es gibt ja aber auch noch den einen oder anderen Höhepunkt in dieser Krise, wie zum Beispiel das Fellbacher Stadtderby in der Baden-Württemberg-Oberliga, an das Dieter Pfeil sich allerdings aus sportlichen Gründen nicht so gern erinnert. Im November des vergangenen Jahres gewannen die Gäste aus Schmiden in der Fellbacher Zeppelinhalle mit 33:27. Es waren zwar 450 Zuschauer mit dabei, allerdings waren die Einschränkungen deutlich zu spüren. Sie werden wohl beim Rückspiel am 27. März auch noch nicht gänzlich verschwunden sein, wenn die Mannschaft des SV Fellbach um den Spielertrainer Andreas Blodig in Schmiden zu Gast sein wird. Anders war das zum Beispiel noch im Dezember 2014, als rund 600 Zuschauer das 27:27-Unentschieden beim Nachbarschaftstreffen in Schmiden ohne Masken verfolgen konnten.

„Wir haben einen großen Nachholbedarf an sozialen Kontakten. Ich hoffe, dass wir das Thema Corona im Sommer abschließen können“, sagt Dieter Pfeil. Die geringfügig niedrigere Mitgliederzahl im Vergleich zu 2019/2020 führt er allerdings nicht auf die Coronapandemie zurück. Schon jetzt kann er wieder einen Zuwachs an Kindern und Jugendlichen verzeichnen. Damals, als die Hallen gesperrt waren, sind die Verantwortlichen über Online-Angebote mit ihren jüngsten Mitgliedern in Verbindung geblieben. Im Frühjahr 2021 dann haben sie im Freien ein Training mit Spielern der ersten Mannschaft angeboten. „Das ist mit großer Begeisterung angenommen worden, Kids und Eltern waren happy“, sagt Dieter Pfeil. „Jetzt hoffen wir, dass wir im Sommer wieder unser Jugendfest organisieren können.“

Dabei denkt er in erster Linie an die Kinder, aber wenig später auch an die finanzielle Lage in der Abteilung. Die Ausgaben für Hygienemaßnahmen seit Beginn der Pandemie sind so hoch, dass sie die Einnahmen von Eintrittsgeldern übersteigen. Deshalb sind Veranstaltungen außerhalb des Spielbetriebs eine notwendige Einnahmequelle. Das ist ja beim Stadtnachbarn TSV Schmiden nicht anders. Daher blickt dort der Abteilungsleiter Wolfgang Bürkle ganz gespannt auf die nächsten Monate. Auch wenn er dann beim 51. Ortsturnier wohl nur noch als Helfer mit dabei sein wird.

erstellt von Maximilian Hamm von der Fellbacher Zeitung